Letzten Monat habe ich meinen Job verloren. Zum dritten Mal. In Folge. Und jetzt? Mir stehen drei Optionen zur Auswahl:
Ich frage mich, warum es immer mich trifft, sehe mich als armes Schwein, suhle mich in der Opferrolle, verliere Relation und Sinn aus den Augen und zerbreche innerlich
Ich flippe aus, verfluche die Welt, das Leben und die Menschen, die mir das angetan haben, betäube meine Wunden mit Alkohol und hoffe, dass meine Wut den anderen Schmerz zufügt
Ich sehe es als neue Erfahrung, erkenne den Wert, persönlich daran zu wachsen, sehe die neuen Chancen, bin dankbar und stehe wieder auf
Überlege kurz für dich: Wie würdest du dich entscheiden bzw. verhalten? Die ersten zwei Male habe ich ganz intuitiv die ersten beiden Optionen gewählt. In der jetzigen Situation ist meine Wahl schnell klar, relativ einfach und ganz bewusst: Option 3.
Die Einstellung macht's
Ich stehe wieder auf. Ich lerne daraus. Ich mache es besser. Das ist keine abgedroschene Antwort aus einem Positiv-Denken-Seminar, sondern mittlerweile meine Einstellung.
Ja, sie erstaunt mich sogar selber. Weil es mir jetzt gelingt, wirklich so zu denken. Ich bin dankbar für die Erfahrung. Mein voller Ernst. Ich sehe ganz klar die Chance, nicht den Verlust.
Warum mir das gelingt? Zwei Gründe:
Erstens, weil ich diese Krisen bereits durchlebt und erfahren habe, dass mein Leben nicht vorbei ist, bloss weil ich einen Job verliere.
Zweitens und für mich entscheidender, weil ich Vater bin. Jetzt denkst du dir vielleicht: Häää? Was hat das denn damit zu tun? Für mich sehr viel.
Die Vorbildfunktion Vater
Ich möchte, dass meine zwei Kids in ihrem Leben Erfolg haben. Damit meine ich nicht finanziellen oder beruflichen Erfolg, sondern dass sie für sich entscheiden, glücklich zu sein und stets das zu tun, was sie lieben.
Für mich haben Erfolg und Misserfolg einen einzigen Unterschied.
Erfolg bedeutet, einmal mehr aufzustehen, als man hinfällt. Wenn man siebenmal auf die Schnauze fällt, steht man eben achtmal auf. Misserfolg heisst hingegen, irgendwann mal liegen zu bleiben.
Im Leben stellt sich nicht die Frage, ob man hinfällt. Die Frage ist, ob man wieder aufsteht. Das Leben verläuft nun einmal nicht linear. Darum kann man es auch nicht planen.
Es ist die längste und wildeste Achterbahnfahrt, die es zu erleben gibt. Wer es schafft, das zu verstehen und im besten Fall zu geniessen, erfüllt alle Voraussetzungen, um glücklich und wirklich erfolgreich zu sein.
Wenn es also mein Wunsch ist, dass meine Kids dieses Prinzip verstehen, gibt es für mich nur einen Weg: ich muss es ihnen vorleben. Punkt.
Kinder folgen nämlich einem Vorbild, nicht einem Ratschlag. Darum stelle ich mir gar nicht mehr die Frage: Warum passiert das immer mir? Ich erkenne es mittlerweile als wertvolle Erfahrung und frage mich: Was will mir das Leben damit sagen?
Wie werde ich resilient?
Dass mir das mittlerweile besser gelingt, hat auch mit meiner psychischen Widerstandskraft zu tun, der sogenannten Resilienz.
Resilienz entsteht auch dadurch, dass man widrige Umstände überwindet und gestärkt aus ihnen hervorgeht.
Wie in meinem Fall durch die bereits erlebten Kündigungen. Andererseits lässt sich Resilienz auch vorbeugend aufbauen, indem eigene Ressourcen und die Psyche gestärkt werden.
Aus der Resilienzforschung ist bekannt, dass es verschiedene Faktoren und Ressourcen gibt, die beim Erleben einer Krise eine Schutzfunktion ausüben können. So gelten Beispielsweise Bezugspersonen innerhalb und ausserhalb der Familie als wichtige Stützen.
Eine enge Bindung zu anderen Menschen führt dazu, dass wir uns nicht allein fühlen. Das gibt uns Halt und dadurch Stärke. Dies ist generell – also sowohl vor, während als auch nach schwierigen Situationen – massgebend.
Weiter ist es sehr hilfreich, wenn wir Menschen eine Krise kognitiv verstehen können. Will heissen: Wenn wir Zusammenhänge erkennen und sie logisch nachvollziehbar sind, können wir sie auch eher verarbeiten.
Auch ist ein gesundes Selbstwertgefühl und das daraus generierte Selbstvertrauen wichtig, um Herausforderungen möglichst resilient zu meistern. Wenn wir an uns glauben und von unseren eigenen Fähigkeiten überzeugt sind, stärken wir unsere Widerstandskraft erheblich.
Zu guter Letzt ist die Sinnhaftigkeit eine der wichtigsten Komponenten, die uns vor Widrigkeit schützt und uns im Leben weiterbringt. Sehen wir den höheren Sinn und damit den Wert unseres Lebens, so motiviert uns das, viel Energie einzusetzen und Schwierigkeiten zu überwinden.
Meine persönlichen Faktoren
Auf meine aktuelle Situation übertragen bedeutet das folgendes: Die bereits erlebten und überlebten Krisen durch einen Jobverlust haben mich natürlich gestärkt und helfen mir jetzt. Auch dank dieser Erlebnisse konnte ich Resilienz vorbeugend aufbauen, indem ich mich und mein Leben reflektiert und relativiert habe. Mein Ego konnte ich so zügeln und meinen Fokus von oberflächlichen materiellen Dingen auf persönlich wertvolle Themen verlagern.
Dank meiner Frau und meinen zwei Kids spüre ich so viel Bindung und Halt im Leben, dass mich beruflich gar nicht so viel aus der Bahn werfen kann. Zudem verstehe ich jetzt, warum mir das ein drittes Mal passiert. Das Leben will mir eindeutig sagen, dass es höchste Zeit ist, für meine Werte und Wünsche einzustehen und sie zu leben. Ein konservatives, hierarchisches und manipulatives Umfeld ist nicht das, was mir entspricht und mein Potenzial entfalten lässt. Diese klare Erkenntnis macht es mir einfach, das Erlebte zu akzeptieren und zu verarbeiten. Erstaunlicherweise kratzt die jetzige Kündigung in keinster Weise an meinem Selbstwert. Ich identifiziere mich unterdessen mit meiner Persönlichkeit, meinen Erfahrungen und der Interaktion mit anderen. Nicht aber mit meinem Job. Durch die entsprechende Reaktion und das positive Feedback der Menschen, die mir wichtig sind, konnte ich viel Selbstvertrauen tanken und meinen eigenen Wert als Person erkennen – und bewahren. Das gibt mir die Überzeugung, auch diese Herausforderung problemlos zu meistern. Am Wichtigsten: Ich sehe den höheren Sinn. Bei mir ist es ganz klar meine Vaterrolle. Da ich meinen Kindern ein erfülltes Leben vorleben möchte, gibt es für mich gar keine andere Wahl, als wieder aufzustehen und weiter zu machen. Und erst recht das zu tun, was ich liebe. Das ist pure Motivation. Und Aufgeben ist schlicht keine Option.
Keine Krise ohne Sinn
Ein Leben ohne Krisen ist reine Utopie. Das gibt es einfach nicht. Stellt sich bloss die Frage, wie wir sie wahrnehmen, bewerten und verarbeiten. Welche Bedeutung wir Ihnen geben. Und das liegt allein an uns.
Natürlich spielen unsere unbewussten Muster und Prägungen erheblich mit. Doch letztendlich liegt es in unserer Hand.
Zudem bin ich überzeugt: jede besondere Herausforderung im Leben hat ihren Grund. Je schneller und besser wir diesen verstehen, desto positiver werden wir unsere Challenges meistern. Klingt einfach, ist es aber nicht.
Es ist ein individueller Prozess von Lernen, Verstehen und aktivem Anwenden. Und der hört nicht auf, macht aber immer mehr Sinn.
Deshalb sind Krisen aus meiner Sicht wichtig und nötig. Persönlich haben mich meine jedenfalls weiter gebracht, auch wenn ich das meistens erst im Nachhinein erkennen konnte. Darauf kommt es aber letztendlich an.
Leben bedeutet für mich lernen. Also: Aufstehen. Weitermachen. Besser werden.
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