Was haben Alkohol, Nikotin, Glücksspiel und Social Media gemeinsam? Sie alle erzeugen Dopamin – und machen süchtig.
Dopamin ist ein Neurotransmitter unseres zentralen Nervensystems und hat eine überwiegend erregende Wirkung. Im Volksmund wird es deshalb auch als Glückshormon bezeichnet.
Dopamin wird dann ausgeschüttet, wenn wir eine Befriedigung erleben. Sei dies bei einem ersten Kuss, einem sportlichen Erfolgsmoment, der Zusage für einen Job oder beim Gewinn eines neuen Kunden. Oder eben beim Trinken, Rauchen, Spielen oder Nutzen der sozialen Medien und unserer Smartphones. Allesamt Gefühle, die süchtig machen können.
Vor allem die junge Generation – auch als Generation Y oder Millennials bezeichnet – ist davon betroffen. Eine vielversprechende, talentierte, Sinn suchende und erfreulicherweise kritische Generation, die sich aber im Umgang mit der Technologie das Leben selber schwer macht.
Nicht ohne mein Smartphone
Oft werden gleichzeitig Whattsapp-Nachrichten an mehrere Personen gesendet, um schnellstmöglich wenigstens eine Rückmeldung zu erhalten. Facebook- oder Instagram-Posts werden mehrmals täglich angeschaut, um die Anzahl Likes und Kommentare zu zählen.
Regelmässig wird die Anzahl Follower oder digitaler Freunde begutachtet, um die eigene Relevanz zu beurteilen.
Oft ist das Smartphone morgens das erste, was man in der Hand hält, und abends das letzte, was man anschaut. Und das nicht bloss für die Verwendung als Wecker.
Oder wie ist es bei dir? Schaust du nach dem Aufwachen zuerst deinen Partner an und gibst ihm oder ihr einen Guten-Morgen-Kuss, oder greifst du doch als erstes zum Smartphone und checkst deine Nachrichten und Profile?
Wenn letzteres der Fall ist, dann ist es eine Sucht. Ganz einfach.
Gerät vs. Mensch
Wie verhältst du dich, wenn du mit jemandem auf einen Drink oder zum Essen verabredet bist? Ist das Smartphone mit dabei? Auf dem Tisch? Wird es sogar benutzt? Wofür?
Warum sollte man in diesem Moment mit jemanden anderem chatten oder irgendwelche Posts liken, wenn man eigentlich Zeit mit seinem Gegenüber verbringt? Das ist eine Form der Respektlosigkeit.
Gleich verhält es sich bei Meetings, wenn Leute ihr Smartphone auf den Tisch legen. Ganz egal, ob mit dem Display nach oben oder unten. Diese kleine Geste sendet ganz unbewusst folgende Botschaft an die anderen Teilnehmer: «Ihr seid im Moment nicht das Wichtigste für mich.» Auch das hat mit Aufmerksamkeit und Respekt zu tun.
Oder was ist, wenn die Verabredung aufs WC geht, wir eine Pause haben oder irgendwo warten müssen?
Zack, Smartphone raus! Ohne auch nur zu überlegen. Warum können wir in solchen Momenten nicht einfach die Umwelt und unsere Mitmenschen beobachten? Das wäre viel sinnvoller. Denn Ideen und Inspirationen kommen nicht aus der permanenten Handlung und Interaktion, sondern genau aus den Momenten, wo wir die Seele einfach mal baumeln lassen. Aus meiner Sicht gehören Smartphones raus aus dem Schlafzimmer, weg vom Esstisch, weg von der Verabredung, raus aus Meetings.
Aktuelle Studien besagen, dass der durchschnittliche Nutzer 1500 Mal pro Woche zum Smartphone greift. Pro Tag sind das 214 Mal. Insgesamt sind es also mehr als 3 Stunden, die wir täglich mit dem Gerät verbringen. Das ist keine Routine, das ist eine Sucht. Ohne wenn und aber. Die meisten Nutzer müssen nämlich ehrlicherweise zugeben, dass sie es keine Woche ohne ihr Smartphone aushalten. Mich inklusive...
Parallelen zum Alkohol
Das Erstaunliche dabei: Bei Alkohol, Rauchen und dem Glücksspiel gibt es Altersvorgaben. Bei Smartphone und Social Media nicht. Obwohl sie die gleiche Wirkung haben.
Das wäre so, als würde man dem 13-jährigen Sohn die Schnapsbar aufmachen und sagen, er solle sich während der stressigen Pubertät doch einfach bedienen.
Denn erwiesenermassen entsteht bei den meisten Alkoholabhängigen ihre Sucht in der Jugend.
Diese Sucht entsteht als Folge einer Belastung. Einer sozialen, finanziellen oder beruflichen Belastung. In Momenten, wo die erregende und betäubende Wirkung des Dopamin am verlockendsten ist.
Genau in Momenten, wo man aber andere Menschen braucht, echte Beziehungen, denen man sich anvertrauen kann, die einem helfen können, den Stress zu bewältigen. Viele wenden sich aber in solchen Momenten nicht an Menschen, sondern an die Flasche. Und kommen nicht mehr davon weg.
Genau so verhält es sich nun auch mit dem Smartphone. Nur, dass die Konsumenten immer jünger werden. Heute laufen 9- oder 10-jährige Kids bereits mit ihrem Smartphone rum. Für viele Eltern fast schon selbstverständlich.
Dabei wissen wir als Elterngeneration ganz genau, dass dies keine sinnvolle Entwicklung ist. Trotzdem ignorieren wir das konsequent, um keine Diskussionen zu haben und lieber Freund statt Mutter oder Vater zu sein. Bei unseren Kids fördern wir aber so direkt das Suchtpotenzial. Indem wir es ihnen sogar noch vorleben.
Selbstwert vs. Social-media-wert
Die Sucht ist das eine. Aber was, wenn es keine sofortige Antwort, keine Likes oder keine neuen Follower gibt? Oder noch schlimmer, wenn man «entfreundet» wird? Dann werden nicht nur die geposteten Bilder, Texte oder Beiträge in Frage gestellt, sondern ganz grundsätzliche Dinge.
Warum werde ich nicht geliked? Was stimmt nicht mir mir? Bin ich so scheisse? Fragen, die in solchen Momenten tatsächlich aufkommen. Für unsere ältere Generation unvorstellbar, für unsere junge Mitmenschen aber Alltag.
Das wäre soweit noch kein Problem, könnte man sich in solchen Momenten auf ein vorhandenes Selbstwertgefühl verlassen. Dieses besteht aber oft genau nur aus der eigenen Relevanz auf sozialen Medien – und existiert somit eben nicht wirklich.
Auch wäre das kein Problem, könnte man sich dann eben auf echte Freunde verlassen, die einem die wichtige Vertrautheit und nötige Sicherheit geben. Doch genau in solchen Momenten von Stress, Unsicherheit und Angst wenden sich immer mehr junge Menschen nicht an andere Menschen – sondern an ein technologisches Gerät, und suchen Trost und Halt in der Welt des Social Media.
Das gefährliche dabei: statt aufgefangen zu werden, führt das umso mehr in die Einsamkeit.
Neueste Studien zeigen, dass das keine gesunde Entwicklung ist. Die Selbstmordraten bei Jugendlichen nehmen dramatisch zu. Die Schiessereien an US-Schulen haben sich seit den 60er Jahren um das 120-fache multipliziert. Die Diagnose Depression wird bei immer mehr jungen Menschen gestellt. Die Einsamkeit spielt dabei eine entscheidende Rolle.
Emotionen lassen sich nicht digitalisieren
Für erste Kontakte mag die digitale Welt sinnvoll und hilfreich sein. Wahre Freundschaften und echte Beziehungen lassen sich aber nicht digital aufbauen und entwickeln. Dafür gibt es keine App. Dafür braucht es die zwischenmenschliche Interaktion. Immer und immer wieder.
Menschen, auf die man sich verlassen kann, lassen sich nicht einfach mit einem «Swipe» nach rechts finden. Es braucht viel Zeit, Geduld und Ausdauer.
Ein Like ersetzt keinen Handschlag. Ein Herzchen ist nichts gegen eine feste Umarmung. Ein paar lustige Emojis erreichen nie die Wirkung eines lachenden Gesichtes.
Wir Menschen sind soziale Wesen. Wir waren es schon immer und werden es immer sein. Auch wenn wir wollen, wir können gar nicht ohne die anderen. Die Gemeinschaft hat uns als menschliche Spezies überleben lassen.
Das soziale Umfeld gibt uns nach wie vor die Geborgenheit und Sicherheit, die wir im Leben brauchen. Es gibt uns das nötige Selbstvertrauen, um Herausforderungen zu meistern. Es gibt uns die Lebensfreude, um nach Rückschlägen wieder aufzustehen. Keine Technologie wird das jemals ersetzen können.
Um eines klarzustellen: Technologie ist nicht nur schlecht! Smartphones und Social Media sind nicht nur schlecht! So wie es Alkohol und Glücksspiel per se auch nicht sind. Aber zu viel davon ist schlecht.
Also sollten wir mehr darauf achten, die Technologie dort einzusetzen und zu nutzen, wo sie unser Leben bereichert und einfacher macht. Aber dort, wo sie zwischenmenschliche Kontakte ersetzt, echte Freundschaften verhindert oder sogar Beziehungen zerstört, sollten wir bewusst darauf verzichten. Uns zuliebe.
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